Höckerschwäne - Fragen und Antworten

mit Prof. Dr. Josef H. Reichholf

Ist es möglich das Kotfladen, angeblich abgesondert von Schwänen, auf der Wasseroberfläche flussabwärts treiben, und etwa 3 km weiter für eine Kolibakterien-Wasserverschmutzung sorgen?
(Ich beobachte beim Kotlassen der Höckerschwäne, dass dieser augenblicklich ins Wasser nach unten absinkt. Entlang des Rheins befinden sich überall Kläranlagen, nach starkem Regen oder Hochwasser wird Abwasser zwar gereinigt aber nicht desinfiziert. )
 
Nein! Bei einer derartigen Drift handelt es sich um Algen vom Gewässerboden, so genannte Algenplaggen, die sich abgehoben haben, weil die Algen durch intensive Fotosynthese Sauerstoffbläschen entwickelt hatten, die den Belag an die Oberfläche trieben. Schwanenkot zerfällt im Wasser und wird sehr schnell mikrobiell abgebaut.

Kann Schwanenkot von circa 150 Höckerschwänen an einem Fliessgewässer wie dem Rhein, für eine mikrobiologische Verschmutzung des Rheinwassers führen?

Nein! Dazu ist die Wassermasse des Rheins viel zu groß und der Sauerstoffgehalt (für raschen Abbau der organischen Reststoffe im Kot) hoch genug. Verglichen mit dem, was aus der Landwirtschaft nach wie vor in die Fließgewässer eingetragen wird und was auch Menschen von sich geben (etwa die Rheinschwimmer in Basel!), ist die von den Schwänen und anderen Wasservögeln ausgehende Verschmutzung geringfügig. Die von den Vögeln verzehrten Pflanzen würden ohnehin absterben und Abbauprozesse nach sich ziehen. Nur in kleinen, abgeschlossenen Gewässern mit starker Zufütterung von außen kann ein großer Wasservogelbestand zur Verschmutzung führen („Ententeiche“, wie sie früher an den Dörfern üblich waren).
 
Es wurde ausgerechnet, dass ein Schwan täglich 200 Gramm Kot absetze, bei 150 Tieren seien das 900 Kilogramm im Monat? Was sagen Sie dazu?

Die Kotmenge hängt von der Qualität der Nahrung ab. Bei einem Vogel, wie dem Höckerschwan, der sich ausschließlich von pflanzlichen Stoffen ernährt und dessen Verdauung ein „schnelles Durchlaufsystem“ darstellt, kann man davon ausgehen, dass der tägliche Nahrungsbedarf knapp 10 bis gegen 20 % des Körpergewichts ausmacht. Davon wird rund ein Drittel veratmet (also in Kohlendioxid und Wasser abgebaut). Bis zu 40 % werden wieder ausgeschieden (wenn die Nahrung wenig ergiebig ist), und zwar als organischer Detritus. Dieser ist die Grundlage für die Ernährung von Kleinfischen! Der Rest verbleibt im Körper (Gewichtszunahme, gespeichertes Fett).
Die genannten 150 Höckerschwäne wandeln daher unergiebige, für die allermeisten Fische nicht verwertbare Wasserpflanzen (auch Algen!) in Nahrung für die Fischbrut und für Kleinfische um.
 
Fressen Fische und kleinere Wasservögel Schwanenkot?

Der organische Detritus, der aus Schwanenkot entsteht, dient, wie oben bereits ausgeführt, der Ernährung von Jung- und Kleinfischen sowie von Muscheln, die als Filtrierer genau diese organischen Reststoffe dem Wasser entnehmen und in Muschelfleisch umwandeln. Dieses wird wiederum von Fischen und Wasservögeln (Tauchenten) verwertet. 

Woraus besteht Schwanenkot? Ist dieser ätzend? Schadet Schwanenkot der Unterwasservegetation und dem Fliesswasser?

Schwanenkot enthält die nicht verdauten, organischen Reststoffe aus der Pflanzennahrung (daher sein grünlich getöntes Aussehen) sowie Harnsäure aus dem Stoffwechsel der Schwäne und natürlich, wie jedes tierische Exkrement auch Bakterien aus der Verdauung. Bei diesen handelt es sich aber nicht um die für Menschen gefährlichen, weil von Menschen stammenden  ‚coliformen Keime’, sondern um Verdauungsbakterien, wie sie andere Wasservögel ebenfalls ausscheiden – und natürlich auch alle Fische! Nur ein gänzlich von Fischen und anderen Wasserlebewesen freies Wasser bekommt auch keine Verdauungsbakterien. Ätzend ist dieser Schwanenkot überhaupt nicht.
 
Können 150 Schwäne auf dem Rheinwasser die Unterwasservegetation schädigen, durch Abgrasen und Koten?
Sodass die Laichplätze der Fische zerstört werden?


Die Beweidung der „Unterwasserwiesen“ ist im Hinblick auf die ökologischen Kreisläufe günstiger als deren winterliches Absterben, weil dabei recht plötzlich eine große Menge fäulnisfähiger Pflanzen anfiele, die hingegen bei Beweidung im Sommer und Herbst portionsweise verwertet und abgebaut werden. Bei den höheren Wassertemperaturen im Sommer und Herbst geht der Abbau des pflanzlichen Materials schneller vonstatten als im Winter und Frühjahr. Besonders vorteilhaft aus gewässerökologischer und fischbiologischer Sicht ist das Abweiden von Algenbelägen am Boden und an den Uferseiten, da dies fast nur die Schwäne tun. Algen sind wenig ergiebig. Nach ihnen zu tauchen kostet Energie, die von der Qualität der Algennahrung nicht ausgeglichen wird. Die langhalsigen Schwäne können ohne nennenswert über ihren Grundumsatz hinausgehenden Energieaufwand die Algenbeweidung vornehmen. Das kommt den Fischen zugute. Im Fließwasser sind es vor allem überströmte Kies- und Sandflächen am Boden, die als Laichgründe Bedeutung haben, keine flottierenden Unterwasserpflanzen, die schon bei leichter Zunahme der Strömung fortgerissen werden. In stillen Buchen gefährdet allerdings die vom plötzlichen Absterben der Unterwasserpflanzen ausgehende Faulschlammbildung die Laichplätze für die so genannten Krautlaicher unter den Fischen. Wasservogelreiche Buchten mit Unterwasserpflanzen sind daher in aller Regel auch sehr gute Lebens- und Fortpflanzungsräume für Fische.
 
Fressen Schwäne den Fischlaich weg?

Nein! Das haben viele Nahrungs- und Magenuntersuchungen an Schwänen längst bewiesen (vgl. die Handbücher der wissenschaftlichen Vogelkunde)
 
Sind größere Schwanenansammlungen für den Fischbestand förderlich?
(Alfred Hilprecht schrieb dieses in seinem Buch Höckerschwan, Singschwan, Zwergschwan)

Ja sicher! Die Gründe dafür sind in den obigen Ausführungen bereits dargelegt. Kurz zusammengefasst besagen sie, dass die Schwäne organischen Detritus erzeugen, der die Hauptversorgung für die davon abhängige „Detritus-Nahrungskette“ darstellt. In diese sind die allermeisten bei uns vorkommenden Fischarten integriert. Nur sehr wenige Fische sind von Natur aus (direkte) Pflanzenfresser. Am bekanntesten ist der aus Ostasien eingeführte, für unsere Fischwelt jedoch fremde Graskarpfen.
 
Wird das ökologische Gleichgewicht durch 150 Schwäne auf dem Rheinwasser gestört?
(Die Tiere verteilen sich kontinuierlich, nach stündlichen Ansammlungen immer wieder)


Gewiss nicht, wie immer dieses „ökologische Gleichgewicht“ auch definiert sein mag. Am bei weitem stärksten wird es durch künstlichen Fischbesatz verändert, weil die eingesetzten Fische nicht im betreffenden Gewässer aufgewachsen und damit von Anfang an kein Teil des ökologischen Systems gewesen sind.
 
Verdrängt eine Schwanenpopulation von 150 Tieren andere Wasservogelarten?
(Alle angeblich verdrängten Arten, sind nachweislich vorhanden)


Im Gegenteil. Wo sich Schwäne in Scharen aufhalten, kommen andere Wasservögel hinzu. Das lässt sich in allen Wasservogel-Schutzgebieten beobachten. Die angebliche Verdrängung anderer Wasservögel zur Brutzeit durch die (aggressiv) territorialen Höckerschwäne ist eine Folge der vielfältigen Störungen zur Brutzeit, die vor allem auch von den Anglern verursacht werden und die empfindlichen Wasservogelarten treffen. Das ist durch umfangreiche Untersuchungen im internationalen Wasservogelschutzgebiet und Europareservat „Stauseen am Unteren Inn“ bereits in den 1970er Jahren nachgewiesen und seither an zahlreichen anderen Stellen bestätigt worden. Es ist die lange und zu den kritischen Zeiten von Nestplatzwahl und Bebrütung der Eier andauernde Anwesenheit der Angler an Uferstellen, die von den Wasservögeln zum Nisten bevorzugt würden, die deren Vertreibung verursacht. Wo zur Brutzeit nicht geangelt werden darf, gibt es weit mehr erfolgreiche Bruten von seltenen Wasservogelarten (in den Untersuchungsgebieten am unteren Inn das 10- bis 15-fache!) als in den Zonen, an denen geangelt wird.
 
Bitte geben Sie Auskunft über die Anzahl großer Höckerschwanpopulationen an anderen Orten.

Die Brutpopulationen von Höckerschwänen sind auf mitteleuropäischen Gewässern allgemein wenig auffällig, da die Schwäne große Reviere beanspruchen und sich damit voneinander absetzen. Sehr selten bilden sie Brutkolonien. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass nur ein Fünftel des Bestandes, der im Herbst und Winter an bestimmten Sammelplätzen der Schwäne oder auch zur Mauserzeit festgestellt wird, tatsächlich brütet. Oft sind es sogar weniger. Daher ist die Zahl der an ihrem graubraunen oder fleckig braunen Gefieder gut erkennbaren Jungschwäne in den Winterbeständen stets gering (unter 10 %). Der Bestand der Höckerschwäne reguliert sich über das Territorialsystem zur Brutzeit ganz von selbst. Es gibt keine Notwendigkeit zum regulierenden Eingreifen. Allenfalls zerstören Eingriffe gut etablierte Brutpaare und machen ihr Territorium frei für Nichtbrüter, was die Produktion von Nachwuchs sogar steigern kann. Das Sozial- und Territorialverhalten der Höckerschwäne eignet sich nicht für „regulierende Eingriffe“ und bedarf ihrer nicht.

Größere Ansammlungen von Höckerschwänen treten vor allem im Herbst auf Buchten und Seen auf, in denen sich reichlich Unterwasserpflanzen entwickelt haben. In Süddeutschland sind das vor allem Seen, wie der Chiemsee, Ammersee, Bodensee und Stauseen an Donau und Inn sowie Stauseen und große Teiche in Nordbayern. Weitere große Ansammlungen von Höckerschwänen, die bis über 1.000 Tiere umfassen können, gibt es auf Seen in Nordostdeutschland sowie im Winter auf Buchten der südlichen Ostsee. Die 150 Schwäne am Rhein sind nichts Besonderes. Allein in Süddeutschland gibt es mindestens ein Dutzend ähnlich großer oder erheblich größerer Ansammlungen.
 
Ist der Höckerschwan domestiziert und somit als halbzahmer Parkvogel zu bezeichnen?

Nein, die bei uns frei lebenden Höckerschwanbestände sind lediglich weniger scheu als „Wildschwäne“ in Nordost- und Südosteuropa, wo sie bejagt werden. Der Höckerschwan ist ein frei lebender Großvogel, der von Natur aus keine besondere Scheu vor Menschen haben müsste. Er wird seit Jahrhunderten geschätzt, wurde deswegen auch häufig auf fürstlichen Parkanlagen gehalten und gehört auch heute noch in Großbritannien zum „Besitz“ der Königin.

Alle seitens der Angler gegen den Höckerschwan vorgebrachten Anschuldigungen sind haltlos. Sie werden auch durch unablässige Wiederholung nicht „wahr“. Vielmehr drücken sie aus, dass die seit Jahrzehnten vorliegenden Forschungsergebnisse nicht beachtet werden (wollen), sondern dass lieber den uralten Vorurteilen gefolgt wird. Tatsächlich sind die Angler selbst die schlimmsten Feinde der Schwäne, weil sie Blei verwenden, das immer wieder verloren geht (einschließlich der Angelhaken). Schwäne nehmen die Bleistückchen auf, um sie zu verschlucken, weil sie zum Zerreiben der pflanzlichen Nahrung im Magen – Schwäne haben, wie alle Vögel, keine Zähne! – die so genannten Magensteinchen benötigen. Das von den Magensäften und der Magentätigkeit frei gesetzte Blei vergiftet sie. Die Vergiftung, als Saturnismus tiermedizinisch bekannt, äußert sich in Lähmungen und / oder in Unfruchtbarkeit. Es ist ein Skandal, dass nach wie vor das hoch giftige Blei beim Angeln und  als Bleischrot in Jagdpatronen bei uns verwendet werden darf. Immer wieder werden auch Schwäne angetroffen, bei denen ein Angelhaken im Schnabel steckt, weil sie diesen mit dem Anglerblei aufgenommen haben. Sie gehen daran elend zugrunde. Vielleicht ist dies ein Grund im Hintergrund, dass die Angler die „Zeugen ihrer Blei- und Angelhakenverluste“ so sehr bekämpfen wollen.

Prof. Dr. Josef H. Reichholf
10. September 2013

 Information zu der Person, Prof. Dr. Josef Reichholf:
 
"Prof. Dr. Josef Reichholf ist Universitätsprofessor für Biologie und Naturschutz an beiden Universitäten von München. Er ist Autor vieler Bücher über Ökologie,  Biologie, Naturschutz und Vogelkunde. In Fachkreisen ist der Evolutionsbiologe als Koryphäe bekannt." Er ist Träger der Trevivanus-Medaille, der höchsten Auszeichnung des Verbandes deutscher Biologen.

···Unser LOGO···
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Schwanenküken mit Angelschnur verschnürt.
Schwanenküken mit Angelschnur verschnürt.
Schwäne in Natur und Mythos
"Boten des Lichts"
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Angeschossener Schwanenvater
Angeschossener Schwanenvater
Haubentaucher
Haubentaucher mit Angelschnüren um Schnabel und Körper, gewickelt.
Schwan mit 5 cm langen Angelhaken im Hals u. unterem Teil des Schnabels
Schwan mit 5 cm langen Angelhaken im Hals u. unterem Teil des Schnabels
Tafelente
Für diese Tafelente kam jede Hilfe zu spät, verschnürt mit Angelschnüren, ist sie ertrunken.

Radiointerview mit Carmen Weitzel.